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Sonderdruck erhältlich bei "Wildes Bayern"

Das Buch ist im Hanser Verlag November 2022 erschienen



Artikel im ANA 16.10.2021 über Ludwig, der 20 Jahre den Vorsitz der Altöttinger Jäger geführt hat, ein Portrait...

Als anerkannter Naturschutzverband darf der Altöttinger Jagdverband auch Präparate geschützter Tiere besitzen und bei Schulungen einsetzen, die Ludwig Unterstaller hier in der Lernwerkstatt in Klugham zeigt. − Foto: Fund

„Beim Jagdschein ging es mir um die Natur“

Ehemaliger Jägerpräsident Ludwig Unterstaller ist weiter auf der Pirsch – Wünsche an die Bürger

 

von Dietmar Fund

Kastl. Seit dem 22. September 2021 hat Ludwig Unterstaller wieder etwas mehr Zeit für das Streifen durch die Natur, die Jagd in der Region und in Kärnten und seine „Muße“. So nennt er das Lesen und die handwerkliche Arbeit in seinem Haus.

Bei der Mitgliederversammlung der Kreisgruppe Altötting im Landesjagdverband Bayern war er, wie berichtet, nach 20 Jahren als

1. Vorsitzender nicht mehrangetreten. „Das hatte mehrere Gründe“, sagt der 68-Jährige ganz offen, der in Mühldorf geboren wurde und seit der dritten Schulklasse in Altötting aufwuchs, wo er heute lebt. „Erstens wird man nicht frischer, zweitens sind 20 Jahre vielleicht schon etwas viel, drittens sollte man ein Amt übergeben, solange es gut läuft, und viertens haben wir einen Nachfolger gefunden, der kaufmännisch denken kann und sich bereit erklärte, das Amt zu übernehmen.“

 

Seinen Jagdschein hat Unterstaller nicht etwa schon mit dem Mindestalter von 18 Jahren, sondern erst mit 35 Jahren erworben. Vielmehr hatte

er nach dem Realschulabschluss erst eine Elektroniker-Lehre in München gemacht, das Abitur nachgeholt und ein Elektronik-Studium 

begonnen, bevor er als Wehrpflichtiger eingezogen wurde. Als solcher hatte er mit Radar zu tun und war einmal zu Besuch im Fliegerhorst in Neuburg an der Donau, wo er in einem Starfighter Platz nehmen durfte. „Da wusste ich, dass ich fliegen wollte“, erinnert er sich. Mit seiner Oberschenkellänge lag er gerade noch auf der roten Linie. Von 1973 bis 1994 nahm er die „Vogelperspektive“ ein, zuletzt als Staffelkapitän auf dem Tornado. Als ihn die Bundeswehr nicht mehr so oft versetzte, begann er auf Anraten von Freunden im Urlaub 1988 als Ausgleich den Jagdschein zu machen. Mit 41 Jahren nutzte er die besondere Altersgrenze für Kampfpiloten und beendete seine militärische Laufbahn.

Er bildete sich betriebswirtschaftlich weiter und beendete später sein Berufsleben als Prokurist bei der Versicherungskammer Bayern. "Der Jagdschein hat mir von der Ausbildung her viel gegeben“, erklärt Unterstaller. „Ich bekam so viele Infos über Pflanzen und Tiere. Mir ging es hauptsächlich um die Natur. Waffen waren bei der Bundeswehr lange genug ein Bestandteil meines Lebens.“ Zu jagen begann er in einem Revier in Winhöring II. „Der Kern meiner Jägerei war 30 Jahre lang eine HochgebirgsJagd“, erzählt Unterstaller. „Die habe ich 2020 aus Alters- gründen nicht mehr für die üblichen zehn Jahre gepachtet, weil das Revier bis über 2000 Meter Meereshöhe hinausreichte und ich mir nicht sicher war, ob ich das noch so lange schaffen würde.“

 

In den Jagdverband war er zunächst als Beisitzer gekommen und musste 2001 als kommissarischer Vorsitzender eine Neuwahl organisieren, in der er zum 1. Vorsitzenden gewählt wurde. „Das Wichtigste für die Arbeit in dieser Funktion: Natürliche Partner der Jäger sind die Landwirte“, bilanziert der Ex-Funktionär. „Je besser das Verhältnis zu ihnen ist, desto besser ist das für die Natur.“ Er erinnert sich gerne an zahlreiche gemeinsame Veranstaltungen mit dem Bauernverband wie etwa bei „Tagen des offenen Hofes“ oder bei Info-Veranstaltungen zur Schwarzwild-Bejagung. Sie hätten dafür gesorgt, dass der Landkreis mit den Wildschweinen heute ganz gut zurechtkäme.

 

Seit 2008 seien leider von Seiten des Landwirtschafts- und Forstministeriums und des Bauernverbands vermehrt Gräben aufgerissen worden, etwa indem man ausschließlich dem Rehwild die Schuld für Schäden im Wald zugeschoben habe. Die offensichtlichen Fehler im Waldbau, etwa durch viel zu langes Festhalten an der Fichtenmonokultur, würden dabei verschwiegen. Bei dieser „ideologisch verbrämten“

Diskussion seien einseitige Schuldzuweisungen ausgesprochen worden, während die Zusammenarbeit mit den Landwirten selbst in der Mehrzahl gut funktioniert habe.

„Null Verbiss gibt es nur mit null Wild, aber wer will das schon?“, fragt der passionierte Heger rhetorisch. „Wenn man den Jagddruck erhöht, wird der Verbiss höher. Wenn ich Schößlinge aus Baumschulen pflanze, die dem Wild besser schmecken als solche, die aus Samen umstehender Bäume natürlich austreiben, muss ich sie auch schützen.“

 

Mit solchen Äußerungen gibt er zu erkennen, dass er „eine kämpferische Natur ist, die zwar nie ausfallend wird, aber ihre Meinung bestimmt und nachdrücklich vertritt“, wie es der Winhöringer Reiner Lorenz formuliert. Er begleitet den Kreisverband, der heute rund 380 aktive Mitglieder hat, schon seit fast 25 Jahren als Schatzmeister.

 

Unterstaller hat es sich zur Aufgabe gemacht, in der Bevölkerung das Verständnis für die Natur zu fördern. Als sein wichtigstes Projekt bezeichnet er daher die Einrichtung der „Lernwerkstatt Natur“ im Kastler Ortsteil Klugham. Dort stellte Gärtnermeister Georg Sterflinger in 2011 rund 40 000 Quadratmeter Grund einer ehemaligen Kiesgrube für die Bepflanzung mit Büschen, die Einrichtung einer Magerwiese sowie

die Anpflanzung eines „grünen Klassenzimmers“ zur Verfügung. Für zunächst 35 Jahre bekam der Kreisverband das Nutzungsrecht und baute ein altes Gemäuer zu einem „richtigen“ Klassenzimmer um.

In der Lernwerkstatt Natur empfangen die Freiwilligen des Vereins pro Jahr bis zu 30 Schulklassen, denen sie die in Schaukästen verstauten ausgestopften heimischen Vögel und Kleintiere nahebrachten. „Hier kenne ich jeden Stein“, sagt Ludwig Unterstaller. „Mit Freiwilligen aus dem Kreis der Mitglieder und des Vorstands vom Polier über einen Maurer bis hin zu einem Orthopäden, der mit dem Bohrhammer gearbeitet hat, haben wir das selbst hochgezogen bis auf den Dachstuhl, den ein Zimmerer errichtet hat. Da hat eine Zeitlang ein ganz besonderer Geist geherrscht.“

 

Einerseits freut er sich, dass so viele Menschen während der Pandemie die Natur in ihrer Umgebung neu entdeckt haben. Andererseits beobachten die Bauern und er selbst immer wieder Menschen auf Enduros und Quads ohne Nummernschildern oder auf Mountainbikes,

die abseits der Wege durch Wald und Flur rauschen und das Wild ebenso aufschrecken wie Hunde, die von der Leine gelassen wurden. „Dadurch werden die Rehe tag scheu und stehen tagsüber da, wo sie Schäden anrichten können, nämlich in der Dickung“, erklärt der Wild- Kenner. Wenn man die „Störer“ dann anspricht, reagieren manche von ihnen auch noch verständnislos und bockig. Unterstallers trauriges Fazit: „Die Leute sind rücksichtloser geworden.“

 

Davon wird er sich seine Freude am Natur- und am Tierschutz aber sicher nicht verderben lassen. Erfreut nimmt er wahr, dass das Vereinsleben zwar schwieriger geworden ist, aber dass es nicht an Jäger-Nachwuchs mangelt. Jagd ist für ihn ein Kulturgut, das es zu bewahren gilt, und zu dem zählt auch das Schützenwesen. Einen Teil seiner Freizeit widmet Unterstaller deshalb der

Königlich Privilegierten Feuerschützengesellschaft 1407 Neuötting – einem Verein, den es bereits seit 1407 gibt und dem er schon seit mehr als 50 Jahren angehört.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors

Quelle: Alt-/Neuöttinger Anzeiger vom 16.10.2021